14.11.11

TangoTexte


Inspiriert durch Peter Kantors Tanzkurs im CentrOnze, September/Oktober 2011

21. September 2011

CENTRONZE
Tango Latino-Europa.

Septembertango

Es war an einem Montag, im September, auf der Straße
An einem grauen Montag im September auf der Straße
Da sah er sie, sie war so schön, mit Tränen in den Augen
stolz vorübergehen

Nun, dreißig Jahre später blickt er wieder in ihr Fenster
Sie tanzt mit einem anderen, er steht draußen unterm Fenster
Was ist geschehen, wer kann verstehen, er sieht sie immer noch
An ihm vorübergehn

Wie damals an dem Montag, im September, auf der Straße
Das Glück war damals jung und nahm die selbe Straße
Er sprach sie an und es begann, er weiß bis heute nicht weshalb
Es dann zerrann

Heut tanzt nur die Erinnerung einen Tango der Gespenster
Nur der Septembermond so bleich wie damals glänzt er
Ertanzt allein, für sich allein, seinen Septembertango
In den Fluss hinein

Es war an einem Montag, im September, auf der Straße
An einem grauen Montag im September auf der Straße
Da sah er sie, sie war so schön, mit Tränen in den Augen
Blieb sie bei ihm stehen



Milonga im Tacheless

Bin ich weg vom Fenster bin ich nicht mehr da
Sehe ich Gespenster die ich noch nie sah
Gehe ich in Räume die ich nie betrat
Träume neue Träume um die ich nicht bat
Tue was ich nie tat

Ich bin schon so lange da, obwohl es mir so kurz erscheint
Obwohl das was ich heute sehe ich noch niemals vorher sah
Ich bin nicht mehr wer ich bin, ich bin nur der der ich werde
Jeder Atemzug ist wie ein Neubeginn endlich Mensch zu sein
auf dieser Erde

Bin ich schon bald sechzig wieder Großpapa
Nach der Liebe ächze ich doch die ist nicht da
Wo ist sie verborgen tief in mir versteckt
Fühle ich, schon morgen wird sie neu erweckt

Ich bin ein Mensch, nur ein Mensch im Sprudel der Jahre
Der wie ein Korken tanzt einmal unten einmal oben
Angestrandet sitze ich heute vor dem Meer der Zeit
In der lauen Herbstnacht vor der Tacheless-Bar
Zur Ewigkeit.

 Sommer schon im Gehen, Koffer schon gepackt
Wer kann das verstehen Herz schlägt noch im Takt
Bin unsterblich jung, wie geboren erst
Als ob Dämmerung du mein Morgen wärst
Sanft durchs Haar mir fährst

Kann es nicht glauben, dass der Winter vor der Tür steht
Werde es nicht erlauben, dass das alles zu Ende geht
Stemme ich mich auch vergeblich Zeit und Tod entgegen
Vor dem Tachless sitz ich trinke Wein und weiß auf einmal
Ich bin ich und lebe meinetwegen

Und auch für die anderen, meinetwegen

Ich bin schon so lange da, obwohl es mir so kurz erscheint
Obwohl das was ich heute sehe ich noch niemals vorher sah
Ich bin nicht mehr wer ich bin, ich bin nur der der ich werde
Jeder Atemzug ist wie ein Neubeginn endlich Mensch zu sein
auf dieser Erde



Herbstbücherflohmarkt-Tango

Werden Spatzen plötzlich Raben
Bäume drohende Skelette
Und die Träume die wir haben
Liegen an des Frostes Kette
Und die Seele treibt im Nebel
Die Ideen sind stumpfe Lanzen
In der Kehle steckt ein Knebel…

Dann geh auf den Bücherflohmarkt
mit den Büchern Tango tanzen!

Wenn die Knochen dir vereisen
Herbstreif sich auf deinen Geist legt
Sonnentage kalt entgleisen
Und das Herz nicht mehr im Takt schlägt
Sitzt du trüb im kühlen Zimmer
Willst nicht mehr herumstrawanzen
Wird der Herbstblues immer schlimmer…

Dann geh auf den Bücherflohmarkt
mit den Büchern Tango tanzen

Schleppst du müde dich im Dunkeln
Ohne Lust zur Arbeitsstätte
Siehst du keinen Stern mehr funkeln
Langweilst dich im Lotterbette
Hast dem Nächsten nichts zu sagen
Willst dich in dir selbst verschanzen
Bist es leid die Welt zu tragen…

Dann geh auf den Bücherflohmarkt
mit den Büchern Tango tanzen

Kommst du nicht mehr hoch vom Hocker
Zählst die Regen hinterm Fenster
Ist die Seele nicht mehr locker
Draußen nur mehr Herbstgespenster
Bist du im Detail verloren
Siehst nicht mehr den Sinn des Ganzen
Dann geh einfach unverfroren…

Auf den Bücherflohmarkt
mit den Büchern Tango tanzen

Und du bist wie neugeboren!
(jedenfalls nicht mehr verloren)

Guillermo di Ulme
Psychoterra- und GestalTango-Poet


Tango morbido

Ich tanze so gern Tango,
doch ich habe keine Dame
dafür nur einen Hund, der Tango heißt
ein schöner Name
Deshalb borge ich mir jedes Mal zum Tanzen eine aus
Und wenn sie nicht gut tanzen kann,
kommt sie nicht mehr nach Haus

Dann fahr ich sie zum Donaustrand
Charmant und wild, verwegen
An einen stillen Platz der unbekannt ist
und entlegen
Dort kann ich elegant die Hand um ihre Taille legen
Und mich mit ihr zum Uferrand im Tangoschritt bewegen

Und steigt sie mir auch auf die Zehen
und kommt auch aus dem Takt sie
ich pack sie, als wäre nichts geschehen,
das packt mich und ich pack sie
den Rest kann nur der Mond mehr sehen –
den Wagen und sie untergehen – ich fahr zurück im Taxi

Doch vorher tanz ich Tango noch
Perfekt, doch ganz alleine
Das Wasser tanzt, der Auwald tanzt,
der Mond, die Ufersteine
und ich, ich tanze sowieso – man wird auch ohne Dame froh
kriegt besser hin Crusade, Ocho
man ist famos die Sorgen los und Troubles hat man keine

Zu Hause wartet schon mein Hund, sie wissen, er heißt Tango
Er wedelt still, macht was ich will, nur tanzt er keinen Tango
Zum Frühstück esse ich gesund Milchshake und eine Mango
Dann geh ich ganz allein zu Bett und denke es wär doch ganz nett
Für einen echten Mann, wenn er so dann und wann
Mal eine richtige Dame hätt, die Tango tanzen kann

Es soll im richtigen Leben, ja durchaus welche geben
Und wenn sie nicht gestorben sind, wer weiß, ich mal die richtige find…
Es könnte sich ergeben, denn,

Ich tanze so gern Tango,
doch ich habe keine Dame
dafür nur einen Hund, der Tango heißt ein schöner Name
Deshalb borge ich mir jedes Mal zum Tanzen eine aus
Und wenn sie nicht gut tanzen kann,
kommt sie nicht mehr nach Haus…

Zu Allerseelen fahr ich Jahr für Jahr zur Donau raus
Nach Albern zu den Namenlosen, von Blumen einen Strauß
im Nebel graue Wellen tanzen, werfe ich hinterher
sollen tragen ihn zu den Emanzen, die alle so schlecht Tango tanzen
jetzt im schwarzen Meer – will ihnen durch die Blume sagen:
Ich bitte um Vergebung, doch es war nicht zu ertragen
es fiel mir wirklich schwer, doch ich liebe Tangotanzen viel zu sehr


Bücher-Tango
bis die Wogen Wiegen wiegen

Wenn die Bücher Tango tanzen
Mischen sich frivol die Seiten
Und so manche Diskrepanzen
Lösen sich im trauten Gleiten

Bild von liebeskranken Pfauen
Die im Takt herumstolzieren
Tief sich in die Seelen schauen
Sich drin finden und verlieren

Politik mit Belletristik
Lyrik mit der Mathematik
Tanzt voll Anmut und Artistik
spannungsvoll bewegte Statik

Deckel an Deckel, gerade Rücken
Halten sie sich in Balance
Fest sich aneinanderdrücke
Gleiten hin voll Elegance

Halb versinken und halb schweben
Schwer und doch voll Leichtigkeit
Halb ersterbend, doppelt leben
Einsam voller Zweisamkeit

Liebesromanes,Storchenbeine
Schlingen sich um Ethik – Bibel
Zwei Figuren werden eine
Tangotanzen ist nicht ibel

Pornografen, Katholiken
Alle tuns, mehr oder minder
Manchmal tanzen sie zusammen
Und dann gibt’s im Frühling Kinder

Tangotanzen ist gefährlich
Leidenschaftlich wiegen Wogen
Aber seien wir mal ehrlich
Tangotanzen, ungelogen
Ist im Grunde unentbehrlich
Soll die Menschheit nicht versiegen
Und in Müdigkeit ermatten
Tango regt an zum Begatten-
Tanz bis sich die Bretter biegen
Und die Wogen Wiegen wiegen
Und die Bücher Kinder kriegen…


Hochzeitsblues
von Leben Tod und Liebe
Blues of wings and roots
(Für Barbara und Christoph)

Wings and roots are our goods
Dont forget dont be upset
Always remember even in pain
Something is holding us
Something is warming us
We can not explain
Love only remain

Love is life, life is love
Compare love and death
Love is always above
always above, but never enough
Explore more and more
far as never before
let safe harbour behind
and you loose every thing
body soul even mind
following just your wings
if you forget your root
you arrive nowhere in a sad, bad mood
Amor fati, love your destiny,
Liebe dein Schicksal, es ist kein Scheusal
Wurzel und Flügel ohne Peitsche und Zügel,
sind uns gegeben. Liebe ist Leben Und Leben ist Liebe
Liebe ist stärker als Tod, aber immer bedroht, aber nie genug
Entdecke mehr und mehr, weiter als je zuvor
Neige dich empor, aber behalte deine Wurzeln im Flug

Sadness, bright sadness warm light of hope
Only this eyes are in fire of life, are in fire of love
Stronger than death, love is always above, we dont need dope
Pain, nightmare of hopelesness, beautiful burnout, stress
When wings are growing and you dance without shoes
The marriage-blues of life death and love
Always above, stronger than death
The marriage blues of life death and love

Wings and roots are our goods
Dont forget dont be upset
Always remember even in pain
Something is holding us
Something is warming us
Something is bluesing us,
We can not explain
Lonely Love only remain
At the end of all, which is just the begin
Of new love and sin
In our eternal fall


Polaritätenkreis

Zu Armen die Reichen
Zu Reichen die Armen
Zu Alten die Kinder
Zu Kindern die Alten
Zum Hochmut Erbarmen
Zu Lebenden Leichen
Zu Heißen die Kalten
Zu Beschränkten Erfinder
Zu Erfindern ein Sesselkreis von
behinderten Kindern


Laub im Licht

Laub ist wie Trauer
Im Sonnenlicht
Gelb entflammt
Grünes Blatt war es einmal
Wir reiten auf der Zeit
Wie auf dem Rücken
Eines Tieres
Wie auf einer Riesenschildkröte
Die das Meer der Ewigkeit durchpflügt
Durch die Jahreszeiten
Durch die Himmelsräume
Durch die endlosen Weiten
Der Träume, der Fantasie…
Sind zusammen und finden uns nie.
Wie die Blätter
Da auf dem Boden
Jedes für sich allein
Und doch zusammen
Im Sonnenschein


21. Oktober 2011

Nussschale tanz

Die Vergangenheit ist
Immer tot und die Zukunft
Die noch nicht da ist
Ist es auch
Nur die Gegenwart ist
Unser Rettungsboot
Aus Augenblick, Herzschlag
Und Atemhauch

Und so rudern wir
Unsere Lebenszeit
Immer kurz nur
In Lebendigkeit
Die sofort versinkt
In Traum-
Vergangenheit
Lebendig
Hin zum
Zukunftstraum
Auf dem Schaum
der Zeit

Nussschale
Die tanzt
Auf dem Meer
Ewigkeit.

13.9.11

Gedichte aus der letzten Zeit

Neurosenkranz
Exerzitien, mit denen sich zentraleuropäische PsychotherapeutInnen
den Verlust der Triebe erklären

Nimm dir den Mut
Du lebst ja gut
Hast Essen genug
Und Wasser im Krug
Keine Bomben am Dach
Nachts bist du nicht wach
Keine Folter, kein Krieg
Dir gilt kein Schuss
Und auch sonst kaum Verdruss
Im Gegenteil, du lebst im Überfluss,
also…
(und wieder von vorne)

Song vom "Waren" Hintergrund
der „Griechenlandkrise“

Nach dem Kälbermarsch von Brecht/Eissler,
nach dem Horst Wessel-Lied

Europas Stier steht auf verbrannter Erde
Das arme Tier weiß nicht mehr aus noch ein
Die Hirten der EU verraten ihre Herde
Sie ließen Wölfe in den Pferch hinein

Hinter dem Euro her
Trotten die Kälber
Die Zinsen fürs Schlachten
Bezahlen sie selber

Die Zinsen hoch, die Ratingagenturen
Treiben die Staaten so in den Ruin
Globales Laufhaus wolln sie statt lokaler Huren
Die sollen, ausrangiert, von selbst ins Schlachthaus ziehn

Hinter der Fahne her
Trotten die Kälber
Das Fell für den Metzger
Liefern sie selber

Hitler wollt einst Europa ganz bezwingen
Es bringen unter seinen Eisenhut
Das war zu plump und konnte damals nicht gelingen
Die Lektion lernte die Wirtschaft gut

Hinter dem Euro her
Trotten die Kälber
Die Zinsen fürs Schlachten
Bezahlen sie selber

Europa ist ein fader Fahnenfetzen
Subtil beherrscht von Wirtschaftsdiktatur
Menschen die wieder einmal gegen Menschen hetzen
Folgen Politikern, die folgen Wirtschaft nur

Hinter dem Euro her
Trotten die Kälber
Die Zinsen fürs Schlachten
Bezahlen sie selber

Die Grenzen hoch, die Gatter fest geschlossen
Feiert Europa Nazi-onale Wiederkehr
Es werden Schimpf und Hasskanonen abgeschossen
Und bei Bedarf auch noch ein bisschen mehr

Hinter dem Euro her
Trotten die Kälber
Die Zinsen fürs Schlachten
Bezahlen sie selber

Und vor Europas Urlaubsparadiesen
Ersaufen Flüchtlinge im blauen Mittelmeer
Und unsere Presse faselt was von Wirtschaftskrisen
Und dabei wachsen die Gewinne mehr und mehr

Hinter dem Euro her
Trotten die Kälber
Die Zinsen fürs Schlachten
Bezahlen sie selber

Europa als Garant hätten wir gerne
Von Frieden, Wohlstand und Demokratie
doch leider bleiben diese nur entfernte Sterne
Greifen die Menschen nach den Sternen nie

Hinter dem Euro her
Trotten die Kälber
Die Zinsen fürs Schlachten
Bezahlen sie selber

Doch wissen selbst die alten Pharaonen
Machtpyramiden stürzen manchmal ein
Wenn Menschen aufstehn und die Mächtigen entthronen
Wird einmal Schluss mit aller Herrschaft sein

Facebook und Twitter her
Es befrein sich die Kälber
Und leben ihr Leben
Zum erstenmal selber
Dann gute Nacht, Eliten, Oligarchen
Umwelt- und Menschenkiller gute Nacht
Das ist das Ende der brutalen Patriarchen
Wenn sich das Kalb zum eigenen Hirten macht

Dann trottet keiner mehr
Hinter dem andern
Wenn miteinander wir
Gleich-Freie wandern

Glückliche Liebe gibt es nicht
Nachdichtung nach einem Gedicht von Louis Aragon,
Musik von George Brassens

Nichts ist dem Menschen sicher, seine Kraft nicht
Noch seine Schwäche noch sein Herz und wenn er meint
Die Arme auszubreiten ein Kreuz sein Schatten scheint
Und er zermalmt sein Glück wenn er’s zu halten meint
Sein Leben seltsam leidvoll wie eine Eh zerbricht

Glückliche Liebe gibt es nicht

Sein Leben ist wie diese Soldaten ohne Wehr
Die man gekleidet hat für anderen Lebenslauf
Was nützt es ihnen stehen sie am Morgen auf
Sie die man abends findet verunsichert zu Hauf
Sagt dieses Wort Mein Leben weint keine Tränen mehr

Glückliche Liebe gibt es nicht

Mein schönes Lieb mein teures Lieb mein tiefer Riss
Ich trag dich wie ein Vöglein dem ein Leids geschehen
Und diese Ahnungslosen sehen uns vorüber gehen
Murmeln mir hinterher Worte die mir entstehen
Und die in deinen Augen sterben in Finsternis

Glückliche Liebe gibt es nicht

Die Zeit leben zu lernen zu spät sie reicht uns nie
Was weinen unsere Herzen des Nachts im selben Ton
Wie viel braucht es an Unglück für das kleinste Chanson
Wie viel Bedauern braucht ein Erschauern doch als Lohn
Und wie viel Schluchzen die Gitarrenmelodie

Glückliche Liebe gibt es nicht

14. Juli 2011

Ich komme an (J`arrive)
Jaques Brel

Von Chrysanthemen zu Chrysanthemen
Unsere Freundschaften vagieren
Von Chrysanthemen zu Chrysanthemen
Will Tod die Lieben „schaffotieren“
Von Chrysanthemen zu Chrysanthemen
Uns andere Blumen blass begegnen
Von Chrysanthemen zu Chrysanthemen
Weinen die Männer Frauen regnen

Ich komme an, ich komme an
Wie gerne hätt ich meine Knochen noch einmal geschleppt
Bis zu der Sonne, bis zum Sommer, bis zum Frühling, ach, bis Morgen hin
Ich komme an, ich komme an
Wie gerne hätt ich noch einmal gesehen ob der Fluss noch Fluss ist
Und der Hafen Hafen und ich mittendrin
Ich komme an, ich komme an
Warum grad ich, warum grad jetzt
Warum so schnell und wohin gehen
Ich komme an, natürlich komme ich an
Ich hab in meinem ganzen Leben niemals etwas anderes getan

Von Chrysanthemen zu Chrysanthemen
Und jedes Mal etwas „alleiner“
Von Chrysanthemen zu Chrysanthemen
Mein Guthaben wird immer kleiner

Ich komme an, ich komme an
Wie gerne hätte ich noch einmal genommen Liebe wie man nimmt den Zug,
um nicht allein, woanders und gut drauf zu sein
Ich komme an, ich komme an
Wie gerne hätt ich noch einmal mit Sternen einen Zitterleib gefüllt
und wär im Liebesbrand gestorben dann als Aschenherz
Ich komme an, ich komme an
Das bist nicht du, der zu früh dran ist
Das bin schon ich, bin bereits zu spät dran
Ich komme an, natürlich komm ich an
Hab ich denn je in meinem Leben etwas anderes getan?


Im Hafen von Amsterdam

Im Hafen von Amsterdam
Gibt’s Matrosen die singen
Träume, die sie verschlingen
Schon weit vor Amsterdam
Im Hafen von Amsterdam
Gibt’s Matrosen die schnarchen
Fahnengold von Monarchen
Im Bett trostloser Strände
Im Hafen von Amsterdam
Gibt’s Matrosen die sterben
voll von Bier und von Dramen
in des Morgenlichts Scherben
Aber im Hafen von Amsterdam
Gibt’s Mütter die gebären
In Bruthitze, Matrosen
Voller Sehnsücht nach Meeren

Im Hafen von Amsterdam
Lassen Matrosen sichs schmecken
Auf zu weißen Gedecken
Fische, glitzernd und nass
Sie zeigen euch Zähne
um das Glück zu zerbeißen
Sichel vom Mond zu reißen
Schlucken, Tauwerk und Kähne
Und das riecht nach frischem Fisch
Bis ins Fettherz der Fritten
die sie großprankig bitten
„Kommt noch mehr auf den Tisch“
Und dann stehn sie lachend auf
Als ob Sturmwinde tosen
Knöpfen zu ihre Hosen
Und gehen rülpsend hinaus
Im Hafen von Amsterdam
Gibt’s Matrosen die tanzen
Reiben sich ihren Ranzen
An den Ranzen der Frauen
Und sie drehn sich und sie tanzen
Wie Sonnen, ausgespuckt
In einem Ton der verzuckt
Aus einer Quetsche voll Wanzen
Sie verdrehn das Genick
Eigenes Lachen belauscht
Bis zu dem Augenblick
Wo das Akkordeon verrauscht
Und dann mit Geste voll Würde
Und mit stolzem Gesicht
Tragen sie ihre Bürde
Hinaus ins grelle Licht

Im Hafen von Amsterdam
Gibt’s Matrosen die trinken
Und die trinken und trinken
Und trinken noch einmal
Sie trinken auf das Wohl
Der Huren von Amsterdam
Von Hamburg oder sonst wo
Jedenfalls aufs Wohl der Damen
Die ihnen ihren hübschen Leib schenken
Ihre Unschuld dazu
Für ein Stückchen Gold
Und sind sie dann so richtig „zu“
Nase in Himmel und Wind
Schnäuzen sie sich in Sterne
Und pissen wie ich weine
Auf die Frauen die untreu sind

Im Hafen von Amsterdam
Im Hafen von Amsterdam

24. 7. 11

Nach dem Terroranschlag in Norwegen

Klärung der Schuldfrage

Der Himmel gehört auch den Mördern und Verrückten
Der Goldmond und das Geschmeide der Sterne
Ist der Reichtum der Unterdrücker und der Unterdrückten
Alle haben den Himmel gerne

Am gleichen Tag

Woran starb Amy Winehouse
Ganz allein zu Haus?
Warum war ich nicht da
Um ihre Hand zu halten
Wo waren ihre Freunde
Wo waren ihre Alten
Wer ist schuld an dem
Was mit ihr geschah?
Der schnelle Ruhm, die Musikkonzerne
Die Familie?
Es tötet die Gleichgültigkeit
Dieser verlogenen Zeit
Es töten die beschissenen Computerspiele
Mit ihren Menschenzielen
In dieser beschissenen Zeit
Wo sich niemand mehr verstecken kann
Wo man öffentlich verrecken kann
Geht uns alle alles an

Fellner ist schuld
Und der Kellner ist schuld
Der den Whisky ausschenkt
Und der Drogenhändler
Aber auch der Trafikant
Der die Krebszigaretten verkauft
Und der Arbeiter in der Pistolenfabrik
Und der Priester der Kanonen segnet
Und Soldatenmörder tauft
Und der Sozialdemokratische Funktionär
Der sich zu gut ist, um mit den jungen Neonazis zu reden
Zu streiten und wenn nötig zu raufen
Die Jasager und Runterschlucker und nach unten Treter
Und nach oben Ducker sind schuld
Und die verfluchte Geduld

22. August 2011

Du bist nicht allein

Glücklicher Tag
Sommerleicht vor dem Herbst
Glücklicher Abend
Trotz vorgerückten Alters
Weißer Schmetterling, taumel
Grüne Gräser streckt euch
Wolkenloser, blauer Himmel
Schwebe, Sonne liebkose
Wasser umschmeichle mich
Leichter, spätsommerlicher Trost
Flüster mir zu:
Du bist nicht allein

Nackt und schön

Wie schön es ist
Nackt zu sein
Alles Nackte ist schön
In der Natur
Alles nackte, Lebendige,
Schamlose
Jede Form, jedes
Alter, versehrt und
Unversehrt – alles was
Augen hat und eine
Seele, ist schön
Und leicht und jung
Ist verwoben mit der
Welt, tanzt
Spielt und tönt
Mit.

14. August 2011

Dünnhäutig

Ich bin dünnhäutig
Geworden wie eine löchrige
Trommelsonne aus dem Norden
Wie ein durchschossener
Blechkrug, wie die
Entzündete Krötenhaut
Unserer Demokratien.
Durchscheinend, aufbrausend
Wie eine aufgescheuchte
Amselkolonie bei Winter-
Einbruch, wie das Unterhemd
Einer Vogelscheuche
Wie die Herzscheidewand
Eines Konsumdopingsünders
Unserer Breite.

Lybischer Spätsommer

Schreie und Explosionen
In der heißen Wiener Afrikaluft
Die letzten Stunden des
Diktators, Brandgeruch,
Phosphor – Lachen und
Krachen, Jubel und Schluchzen
Tod und Geburt
All das in den Strahlen
Der wunderbaren, sinkenden
Sonne, in ihrem kosenden
Streicheln, im heißen
Föhnhauch des verklingenden
Tages. Mögliche
Freiheit über den
Wüstengräbern ist bis hierher
Zu erahnen und auch schon
Der nächste Verrat.

Grausam unbeteiligt und
Ungerührt dreht sich das
Vielzitierte Rad der
Geschichte – Knochenmühle
Im Takt der Börsenstatistiken
Und des Auf und Ab der Ölförderanlagen.
Der Peak-point der
Unmenschlichkeit ist
Schon lange überschritten
Bloß, wer hats gemerkt?

Die Menschheit
dürstet nach friedlicher
und lebbarer Zukunft.
Tunesisch-Ägyptischer Frühling
Lybischer Sommer
Wann kommt der syrische Herbst
Und wann endlich
Der letzte Winter der
Oligarchien?

Für Helmut Schüller
Und die Pfarrerinitiative


Es ist Platz
Genug auf dieser Erde,
dass ein jedes, wie
es ihm beliebt, hier
glücklich werde.
Dieser Himmel ist so
Riesengroß, dass er
Alle zudeckt, die da
Nackt und bloß
Seine Farben sind so
Wunderbar, dass man nicht
Bemerkt wer von uns
Farblos war.
Seine Vögel
haben so viele Schwingen
sie zu zahlen wird uns
nie gelingen,
dass sie fröhlich
miteinander fliegen
zählt, nicht zu wissen, wem
ein Flügel fehlt.
Dass wir miteinander
Gehen, hören, fühlen,
sehen, dass wir
unsere Herzen schlagen
spüren und dass
unsere Hände sich berühren,
dass wir wissen –
jeder ist was wert
ob er jetzt versehrt ist
oder unversehrt
Niemand kann
Die Welt besitzen
Wenn er sie nicht
Mit den anderen teilt
Siehst am Abendhimmel
Du ein Sternlein blitzen,
Tag enteilt
Torkeln Fledermäuse durch
Die Dämmerung in buntem Tanz
fühlst du, dass du
da bist, voll und
auf dem Rücken liegend,
ganz
dass du eins bist mit
den Elementen und dem
All
Liegst im Sommergras,
das riecht nach Leben
und Verfall
und riechst das Leben
im Verfall.

Das falsche Pferd

Ich habe immer aufs
Falsche Pferd gesetzt:
Aufs Seepferd.

24. August 2011

Widerliche Zeitgenossen

In Washington war ein
Erdbeben. Ja, derfs denn
das?
Im Morgenjournal: Mord- und
Argumentationsnotstand.
Ein österreichischer Fondsmanager
Wird interviewt bezüglich der
Situation in Lybien.
Lange Zeit Gadaffi hofiert
Jetzt haben Firmen Glaubwürdig-
keitsprobleme, aber das
Stört sie nicht wirklich.
Sie sind schon wieder
Dran am Geschäft, wie
die Laus im Pelz.
ÖMV, Eni etc.
400 Milliarden Barrel
Ölreserven für Europa.
Das zählt. Nicht
Die Kinder in Somalia
Nicht die Unterdrückten
In Syrien.
Gadaffis Erbe ist
Schon aufgeteilt und
Bilanziert.
Die Haut des Bären…

Widerliche Zeitgenossen,
das.

28. August 2011

Sonntag. Ersteinsatz bei einer Neunundneunzigjährigen.
Ich läute, die Schwiegertochter öffnet.
Der Tod war vor mir da. Sie ist gestern verstorben.

29. August 2011

Der Ostbahnkurti
im Prater, 2011,
des war für mi
wie am Tahirplatz
in Ägypten, aber
kana hats no gwusst
de Leit warn voll
begeistert
haben gspiart was da
passiert is echt
tiaf drinnen in der Brust
warn alle griahrt
und des Gespenst
vom Lichtermeer
von Demokratie
und Menschenrecht
und no vül mehr
is umanaundageistert

Die Amy Winehouse
Könnt no leben
Die Arme täterts heit no geben
Hätt sie an Kurti ghabt wia di


Ewiger Zweiter

Das Leben ist schmutzig
Das Leben stinkt
Wenn es trutzig
Vorüber hinkt

Das Leben ist Frohsinn
Das Leben ist schön
Das Leben ist unwissenschaftlich
Und hat keinen Sinn
Das Leben ist Gestöhn

Es ist weil es ist
Und es reimt sich meistens nicht
Es hört auf und geht
Trotzdem weiter
Das Leben ist ein ewiges Gedicht
Das sich stets neu schreibt
Du bist sein Begleiter
Und ewiger Zweiter
Weil dir nichts anderes
übrig bleibt

Mal sehen ob es klappt

hatte mein Passwort vergessen, konnte meinen Blog nicht bedienen. Jetzt hab ich ein neues Passwort und hab mir vorgenommen wieder öfter "laut zu denken". Mal sehen ob es klappt.

9.8.11

Die Edition Sonnberg freut sich

Die Edition Sonnberg freut sich, dass Willi Stelzhammer wieder auf dem Blog laut gedacht publizieren möchte.