30.9.14

Kurze Euphorie des Sommers



Eine orangerote Hibiskusblüte
Unter dem Straßenbahnsitz
Auf schwarzgrauem Boden
Der Herbst ist nur als Sommer verkleidet
Und hält noch das Dunkel der Stadt hintan
Die blassgelben Himmel des Abends
Ihr Widerschein weicht langsam
Aus den Häuserfassaden
Die das elektrische Licht zu erobern beginnt
Die Menschen kehren heim von der Arbeit
Die Müdigkeit hängt wie ein Netz über ihnen
Orangerot leuchtet die geköpfte Blüte
Und einsam, am Boden.

Erschöpfung im Herbst
Müder, alter Mann in Arbeitskleidung
Mörtelbespritzt
Neuer Sichelmond im Abendhimmel
Über den Geleisen der Stadtbahn
Durchflogen von einem Linienflugzeug

Blick auf den zerfurchten Nacken
Des müden Alten, der
aus einem südlichen Land kommt
Blick auf das insektengroße, blassgraue
Linienflugzeug, da oben
Gedanke an die Kurden in Kobane

Erschöpfung im Herbst
Die Menschen unserer nördlichen Hemisphäre
Gehen einem langen Winter entgegen
Die Flüchtlinge, in ihren Zelten auch
Und viele dem Tod

Kann sich die Quelle des Mitleidens
Erschöpfen
Erschöpft sich je die Quelle der Liebe
Kann sich je die Quelle der Menschlichkeit
Erschöpfen?
Wer kann sie köpfen?
Und die Quelle des Hasses
Wer speist sie unentwegt?

Nach dem blauen August
Weicht der grüne September
Dem gelbweißen Oktober

Heute, kurze Euphorie des sterbenden Sommers

Die Gewässer werden grünblaudunkel
Der Himmel wird verwaschen grau
Und der Wind zerstiebt die roten Blätter
Und alle Farben mit seinem Besen
Ins furchtbare Schwarz
Ins unergründliche Weiß

22.9.14

Zu Leonard Cohens 80er



21. September 2014

Laizistisches Gebet
Nimm dir nicht das Leben, nimm dir das Leben!

Sei nicht so gestresst, sei nicht so gehetzt.
Nimm dir Zeit für dich
Achte auf deine Kraft und deine Gesundheit
Nehme die Natur wahr, genieße sie
Freue dich, lache
Nimm dir Zeit
Lasse den Fluss fließen
Setze dich ins Gras, schaue ihm zu
Setze dich in Bewegung
Tue dir gutes

Sei nicht so gehetzt
Du hast nur dieses Leben
Und du wirst ganz sicher am Ziel ankommen
Male dir das Ziel aus
Oder besser – die Ziele
Wenn du vom Weg abkommst, gerate nicht in Panik
Es gibt viele Wege, die es wert sind gegangen zu werden
Sieh nach ob die Richtung stimmt
Gehe der Sonne und deinem Herzen nach
Sei nicht zu streng zu dir selbst
Das Leben ist streng genug
Lächle so oft du lächeln kannst
Lache dem Anderen zu
Lächle dir selbst zu

Nimm dir nicht das Leben, nimm dir das Leben!
Es gibt so viel mehr Arten das Leben zu leben
Als es Arten gibt zu sterben
Wenn du stirbst ist nichts mehr
Nicht einmal alles schwarz
Wenn du lebst: der Himmel, das Glas Wasser
Das Gras; die Sonne, Spatzen, Wolken
Ein Stück Brot, Regen im Gesicht
Der Fluss, der See, das Meer
Der Hügel, der Berg, der Baum, der Wald
Ein Blick, ein Lächeln, vielleicht ein Kuss
Ein Händedruck bestimmt
Ein Gesicht, jemand, der dir zuhört, der dich wahrnimmt
Das Kissen, die Bettdecke, die Katze, der Mond
Lieder, Musik, ein Stern
Es gibt Milliarden Möglichkeiten zu leben
Und nur eine Art tot zu sein

Deshalb: Nimm dir nicht das Leben, nimm dir das Leben
Das du kriegen kannst
Nimm es und schätze es
Und liebe es
Und liebe dich
Und die anderen auch


Zu Leonard Cohens 80er

In irgendeiner Stadt einfach da sein
Unter den Füßen die Welt tragen
Und alle Elemente in sich spüren
Die das Weltall zu bieten hat
Nicht mehr und nicht weniger

Nicht hungrig, nicht satt
Wie ein flackerndes Licht
Zwischen Dämmerung und Nacht
In dieser Stadt, in meiner Stadt
Spüre ich unter dem Beton das Meer
Und in den Straßen verkehren
Autos und Busse und Flugechsen

Ich fühle mich leicht und schwer
So müssen sich fliegende Bäume fühlen
Die ihre Wurzeln in den Mond schlagen wollen

Unter dem Asphalt meiner Traurigkeit
Spüre ich die tiefen Flüsse des Seins
Und in meinem Alleinsein
Branden die erloschenen Völker
An den Vesuv der Liebe und der Dauer

In meine Worte mischt sich der Irrsinn der Zeit
Mit einer Höflichkeit, die ich mir selbst nicht zugetraut hätte
Ich würde mich gerne fallen lassen ins Irgendwohin
Und halte mich eigentlich fest
An den Traumrändern der Hoffnungslosigkeit

Wir alle haben Angst vor dem Ende
Und wenn wir unsere Nächsten
Nicht bewahren können vor dem Verschwinden
Werden unsere Beine schwer wie die Seele
Und wir hängen nur mehr an einem Fingerglied
Über dem Abgrund

He, ich habe losgelassen und
Seltsam – ich fliege
Und lande noch einmal
Mitten in dieser Welt


Wieder und wieder

Ich habe alles verloren
Und bin wieder geboren
Wieder und wieder

Mit jedem Atemholen
Feuer und erloschene Kohlen
Wieder und wieder

Mit jedem Schlafen gehen
Muss ich ein wenig vergehen
Wie gesungene Lieder

Mit jedem Morgengrauen
Muss ich die Welt neu bauen
Mit neuen Liedern

Und habe ich alles gesagt
Bleibt noch immer ein Tag
Neues zu fragen

Bleibt noch immer ein Mundwinkel Zeit
Eine Falte Ewigkeit
Dir was Liebes zu sagen

Ob es reimt oder nicht
Oder schließlich zerbricht
Alles muss mal verwittern

Glück ist wie ein Gedicht
Wie die Liebe, das Licht
Nicht einzugittern

Ich habe alles verloren
Und bin wieder geboren
Wieder und wieder

Mit jedem Atemholen
Feuer und erloschene Kohlen
Wieder und wieder


Kindliches Daseinslied

Was auch geschieht
Was mir auch blüht
Ich bin da

Solange ich treibe
Solange ich schreibe
Ich bin da

Wenn mich wer fragt
Was hast du gesagt
Ich bin da

Wenn einer mich sucht
Oder mich verflucht
Ich bin da

Wenn der Himmel vergeht
Wenn der Wind mich verweht
Ich bin da

Und wenn du mich brauchst
Und nicht untertauchst
Ich bin da

Wenn du mich verlässt
Wie ein Blatt sein Geäst
Ich bin da

Ich bin da und bin fort
Bin an keinem Ort
Ich bin da

Nirgends und überall
Auf jeden Fall
Irgendwo da im All
Bin ich da

Und bin ich einmal nicht mehr da
Bin ich dir trotzdem nah

20.9.14

Dada war (fast) da



13. September 2014

Tangofest im Centro

Ich möchte sitzen am Strand, in einem unbenannten Land, ein Stück Holz in der Hand und machen Musik, am Meeresgrund werkt meine Traumfabrik, im Himmel fliegen die Wolken, die Fische werden gemolken, aus ihren Schuppen mache ich glitzernde Puppen, die singen salzige Zitronen, Falter auf den Schaumkronen und  Seeelefanten tanzen mit Seeigeln und anderen Verwandten, ich schreibe Noten und Anekdoten in den Sand, die fließen mir wie von selbst aus der Hand, verdauern nur einen Kormoranflügelschlag lang bis in den blutroten Sonnenuntergang, in den ich eintauche wie ein Strohhalm ins Cocktailglas, ein Klavier aus Glas mit zumzerreissen-gespannten Zeitensaiten spielt was von Liebe und bunten Vergangenheiten, nur so zum Spaß und um mich zu begleiten, in meinen abendlichen Höhenflügen aus wahren Lügen: Hurra, Dada war (fast) da.



Urgroßmutter in der Dorfgasse

Urgroßmutter, schwarz
Sitzt auf dem Strohsack und schaut
Im Fenster den Zug

Auf ihrem Balkon
Saß ich mit der Kusine
Oft den Zügen nach

Beide sind sie tot
Kein Wellensittich singt mehr
Es gibt kein Bonbon

Nur der Ostbahndamm
Und der Himmel darüber
Und die Züge noch


Auf dem Nachhauseweg

Unratgegürtet
Trägt der Prospektverteiler
Sein Frohgesicht aus

Ungezügelte
Gedanken gallopieren
In meinem Schädel

Eine Beere knackt
Unter meiner Sohle laut
Als platze die Welt

13.9.14

Regenerwachen



12. September 2014

Österreichisches Gas-Ultimatum

Wos i net waß
des mocht mi haß
wo bleibt denn nur des russische Gas?
A so a Schas!
Wos macht der Putin
Waun i in Wut bin
und explodier
und losmarschier
in voller Wix
da kenn i nix
Daun hol i m`as
des Gas.
Wos glaubt denn der
der russische Hansl
Wia brot i z` Weihnochtn mei Gansl?
I sog nua ans: des Gas muaß her
sunst schick i eam des Bundesheer
Putin, rucks ausse, oba gleich
Sunst kriagst an Kriag mit Österreich.
Oiso - Gas ume, oba glei Mann
gezeichnet: Bundeskanzler Faymann

P.S.

dabei war d`Lösung gor net schwar:
haz ma solar!


Meinen lieben Gegangenen

Ihr seid so tief in mir begraben
Ich halte euch warm
Ich werde euch nie mehr haben
In meinem Arm

Habe euch nur mehr im Herzen
Auf immer, so lebensvoll
Mit all eurer Liebe und Scherzen
Und eurem Kummer und Groll

Ich werde euch für immer behalten
Solange mein Herz schlägt und dann
Wird es einmal erkalten
Schließe ich mich euch an


13. September 2014

Regenerwachen

Draußen regnet es
Wunder - mein Bett ist trocken
Bin ich tränenlos

Der Regenschauer
In meiner Wirbelsäule
beruhigt mich sehr

Ich wache auf und
träume weiter ich schlafe
als Eule im Meer

Grau ist der Morgen
wie eine Tuschzeichnung
zerfließt die Seele

Ist es der Regen
oder mein klopfendes Herz
Wer kann das sagen


Ich danke euch

Ich danke euren Händen, die mich halten
Ich danke dem fließenden Fluss
Euren Seelen, die mich schützen vor den Alltagsgewalten
Ich danke dem liebenden Kuss

Ich danke, dass ihr da seid in so naher Ferne
Ich danke euren Herzen, die auch für mich schlagen
In euren Blicken leuchten für mich alle Sterne
Und die Sonne, auch an Regentagen

Ich danke euren Gedanken, die ich gut verspüre
Ich danke, dass es euch in meinem Leben gibt
Ich danke euch für eure offene Türe
Ich liebe euch und fühle mich geliebt