24.9.16

Zeit für ein Gutmenschenzeitalter

Zurichtungen für die Abwegigkeit 

 

Wie geht’s so? Geht’s noch? Geht so Politik und Demokratie? Wir denken politisch meist in den Zuckerberg-Formaten von "Fakebook" und "Zwitter", also ziemlich kurzatmig. Für längere Reflexionen lassen uns ja stressreicher Job und konsumgeschwängerte Alltagsumtriebigkeit kaum Zeit. Aber denken wir eigentlich noch? Ja, bloß wir denken wie wir leben. Zumeist in medial-virtuellen Scheinwelten Leben wir überhaupt noch? Keine Zeit darüber wirklich nachzudenken.
  

Scheinwelten in Scheinöffentlichkeiten

 

Wir verschlingen vorgekaute, meist ungenießbare, giftige Kost und vergessen sie oft wieder auszuscheiden, uns Kopf und Sinne wieder frei zu machen. Der erbärmliche „Österreich“- „Heute“- „Krone“- und sonstige Kurzmeldungsmüll öffentlich-rechtlichen und vor allem unsäglichen privaten Zuschnitts, der uns täglich alle möglichen Ängste durch Terror, Selbstmordattentate, Gewaltverbrechen, TV-Verblödungskrimiinhalte, sowie seichte Konfluenz- und Konsumangebote und endlose, giftfalschsüßliche Werbung etc. um die Ohren fliegen lässt, hat sich ziemlich hartnäckig in unsere Synapsen und Gehirnzellen eingebrannt, sickert langsam ein und blockiert nach und nach alle Organe unseres Individual- und Gesellschaftskörpers. Wir werden zugerichtet, tagein, tagaus. Zugerichtet für die verblödete Angepasstheit, konditioniert für Untertanen- und Mitläufertum und alle nur erdenklichen Abwegigkeiten und (un)demokratischen, (un)menschlichen Grauslichkeiten.

Frühling der Patridioten?

 

Dabei ist es eine strukturelle Frage, einer zunehmend aus dem Ruder laufenden, ständig wachsenden Apotheose struktureller Gewalt eines kapitalistischen Systems, das lange schon am Ende ist, vorne und hinten versagt und nur mehr durch Routine, multiple Abhängigkeiten, mörderische Gewohnheiten und introjizierte Fantasielosigkeit am Leben gehalten wird und das in sich selbst, wie schon der große Sozialist Jean Jauress treffend meinte, "den Krieg wie die Wolke den Regen trägt"… und ich würde ergänzen: der Kapitalismus produziert zwangsläufig eben keine freien Märkte, die sich selbst und die Gesellschaft regulieren, sondern konzentrationären Totalitarismus und Faschismus, Krieg, Katastrophen, einhergehend damit Flüchtlingsbewegungen und – wir haben zum Glück erst ein Exempel dieser „meisterhaft rational-irrwitzigen, pedantischen und gründlichen Monstruösität“: den Holocaust - die industrielle Auslöschung des „Anderen“, Fremden, und letztlich, konsequent weitergedacht - die Selbstauslöschung der Menschheit. Dieses kapitalistische System, das von der Ungleichheit und von der Ausbeutung und dem Raub menschlicher und materieller Schätze, also ureigentlich parasitär und zerstörerisch „lebt“, in einer immer unerhörteren, fauligen, süß-anästhesierenden Odeur des brachialen Sterbens; es kann nicht (mehr) anders, es ist reif für die Halde der Geschichte.

Rückbesinnung auf das menschlich Wesentliche und Machbare 

 

Dazu gehören: Teilen des reichlich Vorhandenen, Kooperation und Kreativität in allen Lebensbereichen, mehr Lebensqualität durch ganzheitlichen, interdisziplinären Kontakt und Dialog. Bescheidenheit in allen Lebens- und Arbeitsbereichen, also auch der Politik, sind angesagt. Eine tiefe, quasi revolutionäre Reform unseres Staats- Politik- und Verfassungsverständnisses. Evidenzbasierte, dem Menschen und seinen sozialen und elementaren Bedüfnissen verpflichtete Kultur, Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik, qualitätsvolles, den Menschenrechten verpflichtetes Verständnis von einer sich mit der Gesellschaft mitentwickelnden, lebendigen Demokratie, die niemanden ausschließt und die Meinung und Rechte der Minderheiten respektiert und berücksichtigt. 

Neue Formen, des Arbeitens und des Zusammenlebens, neue, verfeinerte und den Lebensverhältnissen und deren Problemen angepasste Formen der demokratischen Gemeinschaftsgestaltung, der Wirtschaft und aller anderen Teile der Gesellschaft. Diese Bewegung mit diesen Zielen gibt es ja bereits. Die vielfältige, vielgestaltige, vernetzte Zivilgesellschaft. Aber, sie wird aus dem öffentlichen Bewusstsein häufig verdrängt, von der veröffentlichten Meinung kaum wahrgenommen, deren Produzenten sich ja in den vorhin beschriebenen Routine- und Abhängigkeitsverhältnissen am Gängelband der sich auflösenden Machtzentren der aktuellen Macht- und Einflusshaber befinden.


Raus aus dem Brei von Bequemlichkeit und Denkfaulheit

 

Wir nehmen hin die Flut an Manipulationen, verkürzten Abbildungen dynamisch-komplexer Wirklichkeiten, die immer öfter erkennbar als vereinfachte, verkürzte Hetze und Propaganda des Machterhalts daher kommen und uns in den sich auflösenden Spuren innerhalb der einstürzenden Pferche der Machtapparate halten wollen.

Die Austeritätspolitik des, von Gewerkschaften und Sozialdemokratischen Parteien (aber auch von den meisten anderen), entmachteten Interessensvertretungen unwidersprochen ausufernden Neoliberalismus, stürzt die Welt in permanente Krisen, produziert Gewalt, Krieg, Hass, Feindseligkeiten, das einander Ausspielen von Menschengruppen und Kulturen. Und wir in unserem komfortablen Brei der Bequemlichkeiten, Routinen und Denkfaulheiten lassen das „machtlos“ gewähren, gewöhnen uns Schritt für Schritt an die „Selbstverständlichkeit“ der Unmenschlichkeiten, nehmen die blöd-hasserfüllten Fratzen von Maulverbrechern und Schreibtischtätern als politische Aussagen hin, schlucken es, berichten journalistisch darüber und wundern uns – wenn Asylheime brennen, Menschenrechte sukzessive abgeschafft werden, die Saat der Gewalt in rassistischen Morden aufgeht. Gewöhnen uns als Sozial-Christdemokraten oder sonstige –„Kraten“ und „Isten“ daran, dass den ärmsten der Armen immer mehr weggenommen wird: Kürzungen, ja Streichung der Mindestsicherung für Asylberechtigte und bald auch alle anderen Solidaritätsbedürftigen; und dass Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung wie Vieh, potenzielles Schlachtvieh, auf Inseln eingekerkert werden, unterworfen den Festungsstrategien der Abschottung Europas, auch mehr und mehr Opfer der Hunger- und Klimakatastrophen darunter, und der von uns, ob wir es wollen oder nicht, mitgebilligten Kriege im Interesse der florierenden Waffenproduktionen. Menschen, die zur Flucht gezwungen, mafiösen Schleppern überlassen, zu tausenden im Mittelmeer ertrinken, an dessen Stränden wir in unsere erbärmlichen Urlaube fahren. (Urlaub kommt übrigens ureigentlich vom Wort er-lauben); Wir leben also, oder besser vegetieren in unseren (Noch)-Wohlstandskerkern in korrumpierten Abhängigkeiten und abhängigen Abwegigkeiten genau in den Formen und Modi, die uns die kapitalistische Gesellschaft in ihrem finalen Rückzugsgefecht, das sich derzeit als allumfassender Angriff und einzig gangbarer Weg gebärdet, erlaubt.


Die Angst der Eliten vor friedlicher, globaler Revolution

 

Populisten wie Putin, Le Pen, Orban, Hofer, Erdogan, Pühringer, Niessl, Kurz, Doskozil… und wer sich sonst noch angesprochen wähnt, werden von einer kalt (und falsch) berechnenden und berechneten Austeritätspolitik a la Schäuble, die Millionen von Arbeitslosen und tiefsten Sozialnotstand (Griechenland), generelle Abstiegs- und Existenzangst, vor allem im sogenannten europäischen Mittelstand zu Folge hat und durch Ängste, die von der Hetze gegen Kriegsflüchtlinge, Opfer derselben globalen Raub-Wirtschaftspolitik noch einmal verstärkt wird, genährt und gefördert. Resultat: Rechtspopulismusschwemme, der ganze braune Pegidasumpf, Rassismus im Netz, Identitäre, Rechtsruck der „Mitte“ und Entdemokratisierung und Entsolidarisierung nationaler Regierungspolitiken, zunehmende sozialpsychische Destabilisierung, Abbau sozialer Kohäsion, Anstieg von Hass und Gewalt, also die ganze Palette der Kehrseite der aktuellen europäischen Austeritätspolitik.

Die „Eliten“ haben Angst vor der globalen Revolution, vor echten SozialdemokratInnen und echten ChristInnen, vor echten humanistischen Wertehaltungen, vor aufrechten DemokrateInnen, die allesamt heutzutage schon als Linksradikale diffamiert werden, wenn sie nur menschenrechtliche und demokratische Selbstverständlichkeiten einfordern. Sie haben Angst vor dem immer noch nicht verhallten Echo des legendären Ausspruchs Guevaras: „schafft ein zwei, viele Vietnam“, dass sich ein weltweiter Aufstand für soziale Gerechtigkeit realisieren könnte und kreieren dagegen prophylaktisch höchst gefährliche Feindbilder jeglichen terroristischen Zuschnitts (IS) gegen die sie weitgehend unwidersprochen ihren antiterroristischen, legalen Staatsterror (nicht legitimierte, abenteuerliche Militärinterventionen (Irak, Afghanistan, Lybien…), rasante militärische Aufrüstung, unkontrollierter Einsatz von Killerdrohnen, Ausbau der elektronischen Massenüberwachung, Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte), sowie diverse andere virtuelle und reale Zäune und Festungsmauern, gegen jeglichen, auch noch so friedlichen und legitimen Widerstand hochziehen können. Sie fürchten und das nicht zu Unrecht, einen neuen, weltweiten, friedlichen „Spartakusaufstand“ der Milliarden total Entrechteten, genährt und versehen mit positiven Arbeits- und Lebensvorstellungen von der weltweiten, vielfältigen, immer größer und intelligenter werdenden Zivilgesellschaft und deren Credo, dass eine andere Welt nicht nur möglich, sondern, angesichts aktueller Entwicklungen, überlebensnotwendig ist.

Miteinander reden und Teilen, sorgsam mit den materiellen, ideellen und kulturellen Werten umgehen, einfühlsam, dialogisch, kooperativ, Grenzen auflösen, Bildung für alle schaffen, Institutionen zum Wohle aller Menschen, mit Ziel auf eine demokratische Weltregierung. Verfeinerte, den Lebenswirklichkeiten entsprechende Demokratie, Ausbau der individuellen und gesellschaftlichen Rechte, bei gleichzeitiger Aufwertung der Gemeinden und Regionen. Eindämmung der egoistischen, national-populistischen Regierungen durch die Stärkung und Festigung einer solidarischen, demokratischen und friedlichen, den Menschen nahen Europäischen Union, also einer Union der Menschen in Europa. Ende der Waffenproduktionen, technischer und technologischer Fortschritt, wie Automatisierung, zum Profit für alle Menschen. Arbeit und/oder Mindestsicherung für alle. Die gewonnene Freizeit für sinnstiftende, sozial und gemeinschaftlich nützliche Tätigkeiten, Schluss mit Gewinn an Kriegen, Menschenhandel und Kinderarbeit.

Das Gutmenschenzeitalter steht vor der Tür

 

Es ist nicht mehr zu übersehen: Das aktuelle kapitalistische System in der Krise, kann und will die gesamte Weltbevölkerung nicht mehr beschäftigen und versorgen, produziert Krisen, zerstört die Welt und ihre Lebensgrundlagen, stürzt die Menschheit in Chaos und sinnloses Blutvergießen.

Das was wir derzeit erleben, den Aufstieg der Populisten, den Versuch der Zerstörung der Europäischen Union als Friedens- und Sozialprojekt, die Illusion Konflikte könnten durch Gewalt und Kriege gelöst werden, der wachsende Ausschluss der Mehrheit der Weltbevölkerung von Arbeit und selbst bescheidenem Wohlstand, produziert Hass, Aggression, Zerstörung, die sich letztlich auch gegen die vermeintlich Herrschenden wendet. Es braucht evidenzbasierte Politik und Wirtschaft, es braucht demokratische Teilhabe und gerechte Verteilung des Wohlstands, sinnvolle Arbeit und sinnvolles Leben für alle. Empathischen Umgang statt mörderischen Konkurrenzkampf. 

Der Mensch ist gut, er ist ein Gutmensch und dieses Zeitalter, das Gutmenschenzeitalter steht weltweit vor der Tür und ist durch nichts aufzuhalten. Machen wir die Türe auf, überschreiten wir die Schwelle. Ein Zurück in die Abgründe von Krieg und Massenvernichtung darf es nicht geben! Ergreifen wir die Chance auf eine offene, friedliche Weltgesellschaft.

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